Ein ÖPi als Rettungsschwimmer

Ein ÖPi als Rettungsschwimmer

Wie Sisi als Wasserarbeitshund ihre Grenzen überwindet

Seit gut zwei Jahren trainieren Sisi und ich bei den Züriseehunden in Stäfa die Wasserarbeit. Dabei stehen wir als Hund-Mensch-Team immer wieder vor neuen Herausforderungen. 

Dass aus Sisi einmal ein Wasserarbeitshund werden würde, zeichnete sich früh ab. Schon als tapsiger Welpe liebte sie es, im Zürichsee zu plantschen. Wasser übt eine ganz starke Anziehungskraft auf unsere ÖPi-Hündin aus – neben Bällen, die ihre zweite grossen Leidenschaften sind. Und da sich bei der Wasserarbeit alles ums Apportieren dreht, passt das.

Doch von Anfang an: Dass Sisi und ich die Wasserarbeit für uns entdeckten, hängt mit meinem Beruf als Redaktorin bei einer regionalen Tageszeitung zusammen. Ich arbeite dort in einem Hundert-Prozent-Job, wobei dies im Journalismus heisst, dass ich eigentlich deutlich mehr arbeite. Einen Hund kann man so natürlich nicht halten. Doch als meine Eltern, Annemarie und Christian Schmidt, Sisi vom Bunten Hundehof nach Hause holten, war es Liebe auf den ersten Blick. Sisi hat mit meinen Eltern und deren Ridgebackhündin Daymani ihr Rudel immer um sich. Für die langen Spaziergänge, Wanderungen und Hundesport bin ich hingegen zuständig und bekomme dadurch noch einen Ausgleich zum zeitweise hektischen Job.

Am Anfang stand ein Artikel

Bei der Zürichsee Zeitung schreiben wir regelmässig Selbsterfahrungsberichte über ungewöhnliche Freizeitmöglichkeiten. Als ich erfuhr, dass es am Zürichsee eine Truppe gibt, die ihre Hunde für die Wasserarbeit trainiert, war der Gedanke, darüber einen Selbsterfahrungsbericht zu schreiben, schnell geboren.

Pascal und Christina, die beiden Übungsleiter der Züriseehunde, zeigten sich der Idee gegenüber aufgeschlossen. Und so fand ich mich, gekleidet in einen Neopren-Anzug und mit Sisi in der Schwimmweste, am Übungsgelände ein. Dabei handelt es sich nicht um einen klassischen Hundeplatz, sondern um eine Rampe des Segelclubs Stäfa in den Zürichsee, die wir in den warmen Monaten freundlicherweise zweimal in der Woche zum Trainieren nutzen können.

Bei diesem ersten „Arbeitstermin“ bewies Sisi schon einmal, was sie kann. Gegenstände aus dem Wasser apportieren? Super! Darf ich nochmals Frauchen? Doch, sie zeigte noch viel mehr. So befestigte Christina den Kong an einem Tau, das an einem kleinen Gummiboot hing und siehe da: Sisi zog das Gummiboot. Zwar nur eine kurze Strecke, aber der Stolz auf meine Hündin wie auch die Leidenschaft für die Wasserarbeit waren damit geweckt.

Ein Jahr bis Sisi schwamm

Seither finden wir uns jeden Samstag von April bis Oktober und manchmal auch montags bei fast jedem Wetter an der Rampe am See ein. Wenn ich Sisi das Geschirr anziehe und wir auf Christinas Grundstück fahren, um gemeinsam mit den Kollegen den Anhänger mit dem Motorboot zu holen, dann weiss Sisi, dass es losgeht. Und inzwischen kann sie viel mehr als nur vom Ufer aus geworfene Bälle und Bringsel zu apportieren. Schnell kapiert hat sie beispielsweise, dass sie auch Bringsel holen soll, welche die Kolleginnen von einem Boot aus ins Wasser werfen. Auch das Apportieren eines Rettungsrings und das Ziehen eines Stand-up-Paddle-Boardes hat sie letzte Saison gelernt.

Während Sisi auf der einen Seite sehr schnell lernt, hat sie auf der anderen Seite auch Charaktereigenschaften, die viel Geduld erfordern. So ist sie kein wagemutiger, sondern ein eher vorsichtiger Hund. Dies zeigte sich nur schon beim Schwimmenlernen. So gerne sie immer ins Wasser ging, dauerte es dennoch ein Jahr, bis sie realisierte, dass sie nicht nur plantschen, sondern auch schwimmen kann. Immer wieder gutes Zureden, locken, motivieren: Irgendwann hat es dann Klick gemacht. Heute will sie sogar im Dezember im eiskalten Wasser schwimmen und liebt es, paddelnd ihre Kreise zu ziehen. Manchmal schaut dabei ihre Rute neckisch aus dem Wasser.

Der Sprung vom Boot

Geduld kostete es auch, sie dazu zu bringen, aus dem Motorboot in den See zu springen. Ganz wichtig ist es, dass der Hund nie gezwungen wird, sondern freiwillig springt. Mit Sisi artete das teilweise in Kabarett aus. Da warf ich ihren Lieblingsball in den See und sie stemmte die Pfoten auf die Bootsbrüstung, schaute verzweifelt dem Ball hinterher und fing in den höchsten Tönen an, zu japsen und zu jaulen. Komplettiert wurde das von einer fünfminütigen Motivations-Show meinerseits. „Ja, lueg emal, wo isch de Balli“, „Ja, chumm, Du chasch das!“, und ähnliche Sprüche in allen möglichen Tonlagen, waren zu hören. Dabei platschte ich mit den Händen ins Wasser und warf noch einen zweiten Ball. Und manchmal fing Sisi dann an, mit den Pfoten das Wasser zu treten, bevor sie sich überwand und sprang.

Dies bürgerte sich zu einem Ritual ein, bis Trainer Pascal die Notbremse zog und mich warnte: „Sie macht das jetzt nur noch, wenn du deine Show abziehst.“ So gingen wir einen Schritt zurück und übten nicht mehr auf dem See draussen, sondern befestigten das Boot am Steg. Pascal und ich warfen uns den Ball im Wasser gegenseitig zu, während Sisi im Boot erst ungläubig zuschaute und dann diesem unverschämten Treiben durch den beherzten Sprung ins Wasser und das Apportieren des Gegenstands kurzerhand ein Ende bereitete. Dafür gab es natürlich unbändiges Lob. Ein grosser Teil des Trainings besteht für Sisi denn auch aus Spielen als Belohnung.

Unser Sprungtraining verbesserte sich schliesslich auch dadurch, dass ich ganz in der Nähe meines Elternhauses ein mit einem Steg am Land befestigtes Floss entdeckte, das sich als ideal zum Springen herausstellte. Sehr schnell überwand Sisi sich nun, sprang schon nach dem ersten oder zweiten Kommando, um den Gegenstand aus dem Wasser zu holen. Aber ob Sisi auch nur auf ein Kommando springen würde, ohne dass ich zuerst ein Bringsel oder einen Ball als Anreiz ins Wasser warf? Ich hatte meine Zweifel. Doch es klappte in kürzester Zeit. Zuerst machte sie es vom Floss aus, dann vom Boot am Steg und schliesslich selbst dann, wenn das Boot draussen auf dem See lag.

Die Kleinste im Team

Ausschlaggebend dabei ist nicht, dass Sisi die Bedeutung des Kommandos „Sprung“ und des Handzeichens kennt, sondern dass sie das Vertrauen hat, zu springen. Umso wichtiger ist es denn auch schnell zu reagieren, wenn sie mit dem Gegenstand im Fang zum Boot zurückschwimmt. Ist sie nahe genug, greife ich die Schlaufe ihres Geschirrs, die sich am Rücken befindet, und ziehe sie ins Boot. Dabei habe ich den Hündeler-Kolleginnen und –Kollegen gegenüber einen Vorteil: Die meisten müssen nämlich 30 oder 40 Kilo ins Boot hieven und brauchen dabei manchmal Hilfe. Sisi ist neben Retrievern und Schäferhunden mit ihren 15 Kilogramm eindeutig ein Mini-Wasserarbeitshund.

Ein Boot mit drei Menschen darauf zu ziehen, wie es das Prüfungsreglement für fortgeschrittene Wasserarbeitshunde vorsieht, wird für uns nicht möglich sein. Aber das, was Sisi physisch kann, meistert sie mit grossem Enthusiasmus und Freude. Wenn ich mit ihr am Weg vor der Rampe stehe, weil wir die Nächsten sind, und sie Norris, Pasco oder Nala, erfahrenen Wasserarbeitshunden zuschaut, habe ich fast das Gefühl, dass sie daraus lernt. Sie sitzt jeweils ganz ruhig da und mir scheint, als würde sie konzentriert beobachten.

„Nur“ Hundesport

Die Königsdisziplin in der Wasserarbeit ist natürlich das Retten eines Schwimmers in Not. Leichter für den Hund ist es, einen Schwimmer zu retten, der nicht bewusstlos ist. Der Hund schwimmt zum Menschen und umrundet diesen, so dass der die Schlaufe des Geschirrs ergreifen und sich auf dem Rücken liegend an Land ziehen lassen kann. Eine zweite wesentlich anspruchsvollere Variante, die auch bei bewusstlosen Schwimmern angewandt wird, ist, dass der Hund den Arm des Schwimmers ergreift und ihn so an Land zieht. Aufgebaut wird dies über das Apportieren. Der Schwimmer trägt beim Üben eine Ledermanschette um den Neoprenanzug. Für den Hund ist es so, als würde er nicht einen Menschen in den Arm beissen, sondern die Manschette beziehungsweise „den Arm“ apportieren. Ich selbst wurde schon einige Male als Figurantin „gerettet“. Einmal rettete eine Flat Coated Retriever-Hündin sogar eine Kollegin und mich zugleich: Ich hielt mich am Geschirr fest, während die andere Hundeführerin am Arm an Land gezogen wurde.

Trainingsmässig haben wir das Retten eines Schwimmers mit Sisi noch nicht geübt. Aber sie hat das Verhalten von sich aus schon gezeigt. Daher würde ich es gerne bald mit ihr angehen. Glücklicherweise haben wir einige kleine schlanke Figuranten im Team. Auch wenn unsere Hunde fähig sind, Menschen zu retten, üben wir die Wasserarbeit bei den Züriseehunden als Hundesport aus. Für die Wasserrettung müsste man mit einem Hund rund um die Uhr an Badeplätzen oder in Schwimmbädern präsent sein, denn Menschen ertrinken schnell. Es ist also eine Rettungsarbeit, die fast schon berufsmässig ausgeübt werden müsste, wie das beispielsweise in Italien gemacht wird. Aber es gab auch schon Fälle, in denen Hundeführer der Züriseehunde zur rechten Zeit am rechten Ort waren und beispielsweise eine gekenterte Segeljolle samt Insassen wieder in den Hafen geschleppt haben. Nicht zuletzt ist es eine äusserst sinnvolle Sparte des Hundesports, die zudem viel Freude bereitet.

Sport, der zusammenschweisst

Nachdem es in den letzten Wochen für das Wasserarbeitstraining nicht gut aussah – zwischenzeitlich war sogar das Seeufer gesperrt – dürfte es nun bald losgehen. Inzwischen dürfen wir nämlich trotz Corona wieder in Fünfergruppen trainieren.

Gerne würde ich mit Sisi die Wasserarbeitshundeprüfung I – insgesamt gibt es vier Stufen – ablegen. Etwas, was unsere ÖPi-Hündin wahrscheinlich schon längst mit Bravour geschafft hätte, wenn ich mehr mit ihr üben statt auf der Redaktion arbeiten würde. Im Wasser muss der Hund auf dieser Prüfungsstufe vom Ufer aus einen Gegenstand von einem Figuranten holen, einen Gegenstand holen, der vom Boot ins Wasser geworfen wurde sowie einen Gegenstand, den der Hundeführer ins Wasser geworfen hat. Ausserdem muss er vom Boot aus ins Wasser springen und 200 Meter ruhig hinter dem Boot an Land schwimmen. Nicht zuletzt ist auch eine Landarbeit vorgesehen, die unter anderem Fusslaufen, Apportieren und das Voransenden zu einer Person beinhaltet.

An einigen Dingen müssen wir noch arbeiten. Aber das Wichtigste ist nicht das Ablegen einer Prüfung, sondern dass Sisi und ich einen Sport gefunden haben, der uns zusammenschweisst und sowohl physisch als auch mental fordert.

Philippa Schmidt

www.zueriseehund.ch
Fotos: Annemarie Schmidt-Pfister